Kommenden Mittwoch ist Aschermittwoch und damit beginnt für Christinnen und Christen die Fastenzeit. Sie endet an Ostern und dient der Vorbereitung auf dieses Fest. Bei Fasten denken Sie vielleicht zuerst an Heilfasten, Diät oder die Fastenpraxis des Islam, bei der von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts gegessen wird. In der Geschichte des Christentums und auch heute ist es noch ein Teil der Fastenpraxis, dass Menschen während dieser Zeit freiwillig auf bestimmte Speisen oder Gewohnheiten (z.B. Kaffee oder Alkohol) verzichten.
Aber mal Hand aufs Herz – es ist immer noch Lockdown. Verzichten wir nicht genug? Also wieso das Ganze?
Die Corona-Pandemie sorgt dafür, dass du jetzt seit gut einem Jahr auf eine ganze Menge verzichtest, die eigentlich selbstverständlich sind. Familie und Freunde treffen, Feiern, Sport, Urlaub, kulturelle und kulinarische Genüsse (Netflix und to-go-Essen mal ausgenommen) und so einiges mehr. Zwischen dem Coronaverzicht und dem Fastenverzicht gibt es einen kleinen, aber wichtigen Unterschied: Die Freiwilligkeit. Sie ist der Gamechanger.
Das unfreiwillige Verzichtenmüssen aufgrund der Pandemie hat etwas Ohnmächtiges. Es liegt nicht in deiner Entscheidungsmacht und du hast kaum Kontrolle darüber, wie lange wir noch aushalten müssen. Es ist eine Zumutung und eine große innere Leistung, wenn du es schaffst damit deinen Frieden zu machen. Falls es dir noch niemand gesagt hast: Darauf darfst du stolz sein!
Freiwilliger Verzicht hingegen, zum Beispiel in der Fastenzeit, ist von Anfang an mit Sinn versehen. Du entscheidest dich bewusst und für eine begrenze Zeit dafür. Du bestimmst, worauf du verzichtest. Vielleicht verbindest du damit auch bestimmte Werte, für die du den Verzicht bewusst auf dich nimmst. Und wenn du es geschafft hast durchzuhalten, dann stellt sich auch ein gutes Gefühl ein, weil du etwas erreicht hast.
In der Bibel geht Jesus 40 Tage in die Wüste, um zu fasten (Lk 4,1-14). Die Idee dahinter ist die: Er begibt sich freiwillig und bewusst in eine Situation, die ihn an seine Grenzen bringt. Wenn in unserem Leben alles nur so gemächlich dahinplätschert, lernen wir wenig. Es passiert auch wenig in unserem Herz.
Anders ist es in Situationen, die uns herausfordern. Um bei der Geschichte aus der Bibel zu bleiben: Die Wüste ist ein lebensfeindlicher, existenzbedrohender Ort. In der Geschichte von Jesus in der Wüste erscheint ihm der Teufel und bietet ihm Wege an, um der Wüste zu entkommen. Das Gemeine: Keine der Optionen, die der Teufel ihm anbietet, ist moralisch verwerflich. Er bietet Jesus an, seinen Hunger zu stillen – ein ganz grundlegendes Bedürfnis des Menschen. Er bietet ihm an, über die Königreiche der Welt zu herrschen – so könnte er einen prägenden Einfluss auf die Gesellschaft haben und die Welt besser machen. Und, 2 besonders tückisch, er bietet ihm an auf Gott zu testen – dann hätte er Gewissheit. Jesus muss sich entscheiden und lehnt alles ab. Er erkennt, dass keine dieser Optionen wirklich gut ist, weil der von dem sie kommen es nicht gut mit ihm meint. Dem Teufel geht es darum, zu gewinnen, Recht zu haben und Jesus dazu zu bringen, seine Grundsätze und Werte zu verraten.
Die Geschichte geht gut aus. Jesus hat für alle Angebote eine passende Erwiderung parat. Er hat sich mit sich selbst auseinandergesetzt, kennt jetzt seine Schwachstellen und hat gelernt, wo er eigentlich impulsiv nachgeben würde, es aber letztlich nicht gut wäre. Und dann passiert noch etwas. Jesus verändert sich. Die Bibel schreibt, dass er von der Kraft des Geistes erfüllt war, als er zurückkehrte. Diese Energie nutzt er, um in Israel umher zu ziehen und das Wort Gottes zu verkünden.
Jetzt verlangt niemand von dir, in die Wüste zu gehen oder dich einer lebensbedrohlichen Situation auszusetzen. Bitte nicht nachmachen! Das braucht es aber auch nicht. Beim Fasten geht es nicht darum, eine Leistung vorzuzeigen oder sich von anderen bestätigen zu lassen, wie toll man ist, weil man auf dieses oder jenes verzichten kann. Es geht auch nicht darum zu hungern oder um den Verzicht um des Verzichtens willen. Und dann auch noch zu meinen, Gott damit einen Gefallen zu tun. In der Bibel steht „Barmherzigkeit und Liebe will ich – nicht Opfer“ (Mt 9,13).
Wichtig ist, die Dinge, Gewohnheiten und Denkmuster herauszufinden – und seien sie noch so klein oder für Außenstehende unbedeutend – von denen du die Ahnung hast, dass sie dir eigentlich, wenn du ganz ehrlich bist, nicht guttun. Wenn du das herausgefunden hast, probiere einmal, aus deinen Gewohnheiten auszubrechen, indem du auf sie verzichtest; sie sozusagen in die Wüste schickst. Das ist der schmerzhafte Teil der Fastenzeit, der AutschMoment, wenn du zu der Erkenntnis kommst, dass du vielleicht manchmal nicht gut zu dir bist. Auf das schauen, was nicht gut im Leben ist, ist für sich genommen nicht schön.
Aber für mich hat die Fastenzeit mit all ihren Autsch-Momenten zwei große Benefits.
Also ist das Fasten vielleicht gar kein richtiger Verzicht, sondern ein Zusatz. Nicht weniger, sondern mehr. In jedem Fall kannst du diese Zeit bewusst gestalten und für dich nutzen. Ich wünsche dir, dass dich diese Zeit verändert. Nur ein klein bisschen. Sodass du dich selbst liebevoller ansehen kannst oder weil du dir selbst etwas Gutes getan hast.
Sabrina Brey
Religionspädagogische Leiterin
St. Matthias Waldram